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Wie kann man nur so viel Geld für ein Fotoshooting nehmen?
Wenn man von einen professionellen Fotografen Fotos für sich oder seine Familie anfertigen lassen möchte, fragt man sich unweigerlich warum der Fotograf so viel Honorar verlangt. Gerade bei aufwändigen Fototerminen wie einem Shooting On Location oder einer Hochzeitsreportage macht sich das deutlich bemerkbar. Im folgenden Beitrag möchte ich etwas mehr Transparenz in die Preiskalkulation eines Fotografen bringen und Dir erklären, warum ein Fotoshooting gar nicht so teuer ist, wie Du denkst.
Was Kunden oft über ein Fotoshooting denken
Nehmen wir als Beispiel eine standesamtliche Hochzeit. Das Brautpaar hat das Paket 1 gebucht.
Der Fotograf stellt sich hin, drückt 2 Stunden auf den Auslöser und verlangt dafür eine Gebühr von 250 €. Das ist doch ein akzeptabler Stundenlohn, den hätte sicher jeder gerne. Mehr macht der Fotograf nicht und ich bekomme meine Bilder nach 1-2 Wochen.
Irrtum lieber Kunde, ganz so einfach ist die Rechnung dann doch nicht. Im folgenden nehmen wir den Preis von 205€ für das Fotoshooting auseinander und verteilen ihn auf die einzelnen arbeiten des Fotografen.
Das vor und nach dem Shooting
Manche denken, dass sich die Arbeit eines Fotografen auf die Zeit des eigentlichen fotografieren beschränkt. Im Normalfall beträgt das fotografieren aber gerade mal 20% des Arbeitstages eines Fotografen. Tatsächlich besteht der größte Teil eines einzigen Fotoshootings aus stundenlanger Vor- und Nacharbeit.
Die Vorarbeiten
Die Vorarbeit ist zwar geringer als die Nacharbeit, aber auch hier kommen locker mehrere Stunden zusammen. Die Vorarbeit setzt sich aus dem Vorgespräch, also telefonieren oder E-Mail schreiben, der Planung, finden eines schönen Ortes für das Brautpaarshooting und der Gruppenfotos, besorgen von evtl. benötigten Requisiten, erstellen des Vertrages und ganz viel Kleinkram drumherum. Damit ist die Vorarbeit immer noch nicht erledigt. Je nachdem was alles geplant ist, kommt noch die Vorbereitung des Studios dazu, oder die Anfahrt und Aufbau an einer bestimmten Location zusätzlich einer Vorbesichtigung an einem „freien“ Tag, Ideenfindung, Genehmigungen einholen und, und, und… Hierfür gehen schnell mehrere Stunden drauf. Bis hierhin ist noch nicht ein einziges Foto gemacht worden.
Das Fotoshooting
Was während dem Fotoshooting passiert ist wohl jedem klar. Motiviert und voll Konzentriert werden von mir unzählige Bilder gemacht und in einer zweistündigen Session entstehen dabei schnell mal über 300 Bilder, oft noch mehr. Das ist der spannendste Teil eines Fotoshootings. Dieser Teil ist auch derjenige, oft auch der einzige Teil, den der Kunde direkt miterlebt. An diesem Punkt ist aber erst die Hälfte der Arbeit geschafft: Die Bilder sind gemacht, aber sie haben noch kein einziges davon. Jetzt kommt ganz viel von dem, was der Kunde nicht sieht.
Nacharbeiten: Die Postproduktion
Nun beginnt das was die meiste Zeit verschlingt: Das kopieren von der Speicherkarte auf den PC, das importieren der Bilder in Lightroom, sowie das sichten und (aus)sortieren. Ist das erledigt, meist nach 1-2 Stunden, beginne ich mit der Grundoptimierung der Bilder, exportiere sie verkleinert, lade sie auf den Server hoch, erstelle eine passwortgeschützte Galerie und informiere den Kunden in einer entsprechenden E-Mail
Nun sind die Bilder aber immer noch nicht fertig. Nachdem die Fotos bisweilen 2 Wochen in einer online Galerie auf die Auswahl der Kunden warten, beginnt erst dann die eigentliche Arbeit.
Die ausgewählten Bilder wollen retuschiert werden, damit diese nach ihren Vorstellungen zu dem werden, worüber Sie sich letztendlich freuen – IHREN Fotos. Bis 1 Bild so gut ist, wie ich es haben möchte (und wie es dem Kunden dann letztendlich die Begeisterung in die Augen treibt) vergeht mit Sicherheit eine Folge “Two and a half Men”. Manchmal auch 2 Folgen. Das ist aber nur ein Bild, da sind noch viele andere die ebenfalls bearbeitet werden wollen. Na, wie viele Stunden brauche ich wohl für 20 retuschierte Bilder?
Hurraaaaa – FERTIG!
Ähm, nein?
Nun müssen die bearbeiteten Bilder wieder verkleinert, exportiert, zur Durchsicht in die Kundengalerie gestellt werden, wo sie auf Ihr OK warten. Meistens passt alles, aber gelegentlich muss auch noch schnell eine Änderung her, ein Bild in einer anderen Tönung gemacht werden, oder eines weg, dafür ein anderes dazu, ist alles kein Problem, mach ich gerne!
Wenn alles passt und ich Ihr endgültiges OK habe, werden die Bilder in Originalgröße exportiert, in die Software des Labors geladen, auf deren Server gespielt und somit bestellt und gedruckt. Wie lange ich dafür brauche – ich hab keine Ahnung, aber es dauert…
Jetzt fertig?
Schön wärs ja… aber NEIN, noch nicht ganz. Ein bisschen muss noch gearbeitet werden.
Kommen die Bilder aus der Druckerei bei mir an, werden diese erst mal einer strengen Prüfung unterzogen. Ist diese bestanden geht es weiter. Die grundbearbeiteten und retuschierten Bilder des Shootings werden auf CD/DVD gebrannt. Die gedruckten Fotos und die CD/DVD werden hübsch verpackt und versandfertig gemacht. Anschließend bringe ich das Paket zur Post, von wo es sich endlich auf die Reise zum Kunden macht.
Fertig? Ja, jetzt ist fertig!
Bevor ich es vergesse, fließen auch noch die unzähligen Materialien in die Kalkulation mit ein. Was wäre ein Fotograf ohne Kamera? Und Objektive? Ohne UNZÄHLIGE Stücke Dekokram? Ohne Bildbearbeitungsprogramme, ohne Computer, ohne Internet, ohne Homepage, Werbematerialien, Kamerataschen, Zusatzakkus, Speicherkarten und und und??? Es geht immer etwas kaputt, nichts hält ewig und muss neu angeschafft werden. Das fängt bei 20 € Artikeln an und hört bei über 3000 € auf.
Rechenbeispiel
Wenn ich so darüber nachdenke muss ich mir überlegen meine Preise anzuheben, denn der Stundenlohn, der dabei unterm Strich herauskommt, verstößt garantiert gegen das Mindestlohngesetz.
Kleines Beispiel zur Verdeutlichung? Bitte sehr:
Ich nehme hier ein fiktives Beispiel: 2 Stunden Shooting + 20 retuschierte Bilder = 250 €
Vorarbeit: 4 Stunden
Shooting: 2 Stunden ist das Minimum, oft wird es sogar länger
Postproduktion: ca. 20 Stunden
Nacharbeiten: (Fotos druckfertig exportieren, bestellen, abholen, Verpacken, Versandfertig machen ect.) ca. 2 Stunden
Gesamt: 28 Stunden Minimum geteilt durch 250 € = 8,92 € Brutto
Von diesem Stundenlohn finanziere ich Verbrauchsmaterialien, schaffe neues Equipment an, erweitere oder ersetze kaputtgegangene Dinge, finanziere Neuanschaffungen wie Objektive ect. und bezahle Rechnungen. Was dann noch übrig bleibt ist erst mein Verdienst.
Würden sie für diesen Brutto-Stundenlohn meine Wohnung putzen? Ich denke nicht.
Was in den Fotoshooting-Preisen gar nicht eingerechnet ist, sind Miete, Strom, Wasser, Heizung und sonstige Nebenkosten. Kämen diese Kosten noch hinzu würden die Preise deutlich steigen.
Bin ich immer noch zu teuer?
Ich hoffe dieser Artikel hat ihnen ein wenig die Augen geöffnet und deutlich gemacht das dass, was sie als Kunde von einem Auftrag mitbekommen, bei weitem nicht alles ist was an Arbeit dahinter steckt. Und vielleicht kommt ihnen der Preis nun nicht mehr ganz so hoch vor und sehen ihn sogar als angemessen (eher wohl zu niedrig) an?
Sollte dem nicht so sein, dann empfehle ich den folgenden Artikel. Darin geht es um Durchschnittspreise für Hochzeitsfotografen: So viel kosten Hochzeitsfotografen wirklich