Langzeitbelichtungen in der Nacht kennt ihr sicher alle, in dem Bereich habe ich ja schon einiges an Fotos veröffentlicht. Aber was wenn man auch am Tag länger belichten möchte, um zum Beispiel Wasser „glattzubügeln“? Mit kurzen Belichtungszeiten ist das nicht zu schaffen ohne dass das Bild gnadenlos überbelichtet und somit unbrauchbar wird. Das geht nur mit einem Graufilter.
In diesem Artikel:
Was ist ein Graufilter?
Ein Graufilter ist eine abgedunkelte Glaslinse die vor das Objektiv beschraubt wird, um den Lichteinfall zu reduzieren. Der Graufilter wird oft auch ND-Filter oder Neutraldichtefilter genannt. Die Linse ist gleichmäßig abgedunkelt sodass die Verdunkelung die Lichtmenge, die durch den Filter und das Objektiv auf den Sensor einfällt, verringert. Ein Graufilter ermöglicht dadurch längere Belichtungszeiten oder den Einsatz von einer größeren Blendenöffnung ohne dabei Einfluss auf Farbe und Kontrast zu nehmen. Ein Graufilter ist somit eine Sonnenbrille für das Objektiv.
Wie wirkt ein Graufilter?
Es gibt Graufilter in verschiedenen Stärken, aber alle haben das gleiche Ziel: Das verlängern der Belichtungszeit. Welcher Filter die Lichtmenge um welchen Faktor reduziert zeigt diese Tabelle:
Dichte (ND) | Durchlässigkeit der Lichtmenge in Prozent | Verlängerungsfaktor | Lichtreduktion in Blendstufen |
0,3 | 50 | 2 | -1 |
0,6 | 25 | 4 | -2 |
0,9 | 12,5 | 8 | -3 |
1,2 | 6,25 | 16 | -4 |
1,5 | 3,12 | 32 | -5 |
1,8 | 1,56 | 64 | -6 |
2 | 1 | 100 | -6,66 |
2,4 | 0,4 | 256 | -8 |
2,7 | 0,2 | 512 | -9 |
3 | 0,1 | 1000 | -10 |
4 | 0,012 | 10000 | -13 |
6 | 0,001 | 1000000 | -20 |
Wie wird die Belichtungszeit mit Graufilter richtig eingestellt?
Zuerst messen wir welche Belichtungszeit ohne einen Graufilter nötig ist um ein korrekt belichtetes Foto zu erhalten. Dafür gehen wir in den AV Modus (Blendenvorwahl) und überlegen uns welche Blende wir nehmen möchten. Nun kurz den Auslöser halb durchdrücken und die Belichtungszeit ablesen. Diese Zeit ist unser Ausgangswert für die Berechnung der Zeit mit einem Graufilter.
WICHTIG! Wähle vor dem Aufschrauben des Filters den Ausschnitt und stelle scharf, schalte dann den Autofokus ab. Der Autofokus funktioniert unter Umständen nicht korrekt durch den dunklen Filter.
Angenommen der Graufilter besitzt eine Dichte (ND) von 3 (der 1000er) und hat somit eine Lichtreduktion von -10 Blendenstufen. Um eine Langzeitaufnahme optimal durchführen zu können, muss nun die richtige Verschlusszeit ausgerechnet werden.
Wenn die Belichtungszeit ohne Graufilter 1/25 Sekunde beträgt, muss bei einem Filter mit der Stärke ND 3 die Zeit zehn Mal verdoppelt werden. Wenn wir 1/25 Sec zehn Mal multipliziert wird, ergibt sich somit eine Belichtungszeit von 30 Sekunden.
So wird die Belichtungszeit berechnet:
- 1/25 Sekunde x 2 = 1/13 Sekunde
- 1/13 Sekunde x 2 = 1/8 Sekunde
- 1/8 Sekunde x 2 = 1/4 Sekunde
- 1/4 Sekunde x 2 = 1/2 Sekunde
- 1/2 Sekunde x 2 = 1 Sekunde
- 1 Sekunde x 2 = 2 Sekunden
- 2 Sekunden x 2 = 4 Sekunden
- 4 Sekunden x 2 = 8 Sekunden
- 8 Sekunden x 2 = 16 Sekunden (bzw. 15 Sekunden)
- 16 Sekunden x 2 = 32 Sekunden (bzw. 30 Sekunden)
Die gängigsten Filter
8-fach Filter (ND 0,9)
Dieser Filter kann die gewünschten Effekte nur bei wenig Sonnenlicht erzielen. Im Gegensatz zum 1000-Fach und 64-Fach ist hier kaum ein Unterschied zu merken. Er eignet sich beispielsweise für Aufnahmen bei Sonnenuntergängen.
64-fach Filter (ND 1,8)
Dieser Neutraldichefilter ist ein echter Allrounder. Hiermit lassen sich immer noch gute Bilder mit samtig weichem Wasserflächen erzielen. Außerdem gut geeignet für schnell fließendes Wasser.
1000-fach Filter (ND 3,0)
Diese Graufilter sind für „Superweich-Effekte“ und können auch bei sehr hellem Sonnenschein eine lange Belichtungszeit garantieren.
Umrechnung der Belichtungszeiten
Beispiele für verlängerte Belichtungszeiten mit Graufilter
Was Graufilter bewirken
Das klassische Beispiel ist der Wasserfall: Bei Sonnenlicht sind die Belichtungszeiten selbst bei geringster Empfindlichkeit (z. B. ISO 50) und kleiner Blende (z. B. F8) so kurz, dass die Bewegung des Wassers eingefroren wird. Das ist aber nicht immer erwünscht. Vielmehr möchte man fließendes Wassers zeigen, was aber nur mit langen Belichtungszeiten von 1/50 Sekunde oder länger möglich ist. Hierfür wird ein starker Graufilter benötigt.
Ein weiteres Beispiel sind Wasseroberflächen. Oft möchte man sie samtig weich darstellen, wie auf dem Titelbild dieses Beitrags. Das Bild habe ich ebenfalls mit dem ND 3 aufgenommen. Man kennt die meisten Fotos knackscharf abgebildet, man sieht jede einzelne Welle. Oftmals wirkt das einfach langweilig, da fehlt der „Kick“ im Bild. Im Vergleich zu dem Foto mit Graufilter wirkt es einfach nur gewöhnlich. Hier das Foto im Vergleich, einmal ohne und mit Graufilter aufgenommen:
Ein weiteres Anwendungsbeispiel ist ein belebter Platz mit vielen Menschen, die in Bewegung sind. Mit Graufilter und Stativ verschwimmen die Bewegungen und die Menschen verschwinden. So lassen sich auch belebte Plätze beinahe menschenleer fotografieren.Ein Graufilter ist auch in extrem hellen Umgebungen sehr hilfreich, z. B. in der Mittagssonne am Strand, in südlicheren Ländern mit starker Sonneneinstrahlung aber auch im Schnee bei Sonnenschein sind Graufilter sehr hilfreich.
In anderen Situationen, z. B. bei Personenaufnahmen, möchte man oft gerne mit offener Blende fotografieren, damit sich das Hauptmotiv vor unscharfem Hintergrund schön abhebt. Ist es aber zu hell, stößt man mit den kürzesten Belichtungszeiten der Kameras und lichtstarken Objektiven (z. B. Blende 1.8) schnell an die Grenzen.
Was noch?
Wenn du mit Graufilter fotografieren möchtest solltest du zusätzlich noch folgendes zur Hand haben:
- Stativ für einen festen Stand ohne Wackler
- Fernauslöser
- Eine Kamera mit Spiegelvorauslösung
Mein Workflow mit Graufilter
So arbeite ich wenn ich mit Graufilter fotografiere:
- Stativ aufbauen und Kamera aufsetzen
- Fernauslöser anschließen
- Ausrichten und Bildausschnitt wählen
- Bildstabilisierung abschalten
- Schärfe mit Autofokus (oder manuell) einstellen
- Autofokus abschalten
- Im Modus AV (Blendenvorwahl) gewünschte Blende einstellen
- Belichtungszeit im Display ablesen und merken
- Umrechnen auf den gewünschten Graufilter
- Kamera in den manuellen Modus schalten
- Ermittelten Zeitwert und Blende einstellen
- Graufilter aufschrauben
- Auslösen
Ist doch gar nicht so schwer, oder?